Rede des Fraktionsvorsitzenden der FWV zum Haushalt 2022
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Bulander,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Gönner,
sehr geehrte Frau Bernhard,
sehr geehrter Herr Hoffmann,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
weiterhin beeinflusst die rund zwei Jahre anhaltende Corona-Pandemie die weltweite Wirtschaft aber auch die Wirtschaft vor Ort:
Nachdem die Weltwirtschaft 2020 stark einbrach und die meisten Betriebe ihre Produktion runterfuhren oder sogar einstellen mussten, sprang sie im Frühjahr 2021 wieder an, denn der Nachholbedarf an Gütern stieg enorm. Vor allem China und die USA kauften riesige Mengen an Rohstoffen. Da die Produktion mit diesem Wachstum nicht Schritt halten kam und konnte, kommt es zu einer noch immer andauernden Rohstoff- und Güter- Verknappung. Laut Industrie- und Handelskammer sehen zwei Drittel der Industriebetriebe durch die hohen Energie- und Rohstoffpreise ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung.
Die Folgen sind für jeden Einzelnen spürbar. Viele Artikel des täglichen Bedarfs waren oder sind immer noch von Lieferengpässen betroffen. Es fehlen Zubehörteile wie Chips, Arzneimittel, Baumaterialien- vor allem Holz und Stahl, Kleidungsstücke und vieles mehr. Durch diesen Mangel verteuern sich viele Produkte und Handwerkerleistungen stark. Als Beispiel sei der Anstieg der Baupreise um durchschnittlich 14% innerhalb eines Jahres genannt. Explodierende Energiepreise heizten die Inflation weiter an und so betrug diese im Dezember 2021 5,3 Prozent. Preissteigerung und Inflation können in Zukunft für viele Haushalte zu einem großen Problem werden.
Etliche Strom- oder Gasanbieter verspekulierten sich, konnten ihre Dumpingpreise nicht halten und stellten die Lieferungen an ihre Kunden ein. Die Stadtwerke müssen als Grundversorger eine sicherheitsorientierte Preisstrategie fahren und sind gesetzlich verpflichtet, diese Kunden aufzunehmen. Der hierfür benötigte zusätzliche Strom kann aktuell nur teuer eingekauft werden und dadurch ist der Preis für Neukunden hoch. Bleibt zu hoffen, dass sich die Lage am Energiemarkt wieder normalisiert und die Stadtwerke mit Freuden neue Kunden aufnehmen kann.
Es gibt auch Unternehmen, die in der Pandemie hohe Gewinne einfahren, die der Allgemeinbevölkerung nicht zu Gute kommen. Es fehlen Steuergelder!
Voller Zuversicht mit dem Impfen das Virus unter Kontrolle zu bringen, starteten wir in das Jahr 2021. Auch wenn sich nicht alle Hoffnungen erfüllten, genießen wir mehr Freiheiten als noch vor einem Jahr. Trotzdem hat uns die Pandemie weiterhin fest im Griff. Gründe hierfür sind vor allem mangelnde Impfbereitschaft und die immer wieder neu auftretenden Mutationen, die unter anderem eine Folge der weltweit ungerechten Verteilung der Impfstoffe sind.
Die Art des Umgangs mit unterschiedlichen Meinungen fordert uns heraus. Verordnungen zur Pandemiebekämpfung sowie die Impfstoffe werden viel und kontrovers diskutiert. Diese unterschiedlichen Anschauungsweisen spalten nicht nur die Gesellschaft im Allgemeinen immer stärker, sondern ziehen einen Riss durch viele Familien und Freundschaften. Unser gesellschaftliches Zusammenleben ist belastet. Diese Situation nutzen demokratie- und staatsfeindliche Gruppierungen aus und unterwandern Demonstrationen und Kundgebungen gegen die Coronapolitik - leider aktuell auch in Mössingen. Grundwerte unserer Demokratie sind die Diskussion unterschiedlicher Meinungen und Meinungsänderung aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie Kompromisse finden und Mehrheitsbeschlüsse akzeptieren. Im Gegensatz dazu verurteilen wir Hass, Hetze und Verleumdung auf das Schärfste.
An dieser Stelle möchte ich auf die Kundgebung am 29.01.2022 vor dem Gesundheitszentrum hinweisen, welche unter dem Motto „Mössingen für Demokratie, Solidarität und Respekt“ steht, zu dieser laden unter anderem auch Mitglieder aller Mössinger Gemeinderats- Fraktionen und der LiSt herzlich ein, um ein Zeichen zu setzten. Nur gemeinsam werden wir uns aus der pandemischen Lage befreien können.
Besonders belastet sind immer noch die Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt. Neben Coronaverordnungen bekamen und bekommen die Händler zusätzlich die Folgen der jahrelangen Innenstadtsanierung zu spüren. Doch zumindest der Bauabschnitt 2 ist aktuell im Endspurt. Wie im letzten Jahr bitten wir Sie dringend: Unterstützen Sie unsere Einzelhändler vor Ort, indem Sie in Mössingen einkaufen! Der Einzelhandel bildet das Herz unsrer attraktiven Stadt.
Nun möchte ich noch einige Fakten zur finanziellen Situation der Stadt Mössingen ausführen:
Seit Sie, Herr Oberbürgermeister Bulander, Ihren Bericht zum Haushalt 2022 vor zwei Monaten vorstellten, hat sich die finanzielle Lage der Stadt Mössingen deutlich verbessert. Zu unserer aller Freude konnten wir in der Drucksache zur heutigen Gemeinderatssitzung lesen, dass vor allem höhere Erträge beim Gemeindeanteil der Einkommenssteuer und Zuweisungen aus dem Finanzausgleich zu rund 2,1 Mio. Euro höheren Erträgen und zu einem 1,8 Mio. Euro höheren Ergebnis führen werden. So kann das neu prognostizierte Defizit von 1,35 Mio. Euro aus den Überschüssen und Rücklagen der Vorjahre ausgeglichen werden und wir benötigen keine neuen Kredite.
Die Personalausgaben werden 2022 voraussichtlich um 760.000 Euro oder knapp 4% steigen. Legt man die letzten fünf Jahre zugrunde, stiegen die Personalkosten jährlich um 7%. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, dass der Wunsch nach zusätzlichen Stellen in diesem Zeitraum gleichermaßen von der Verwaltung und aus den Reihen des Gemeinderats kam. Die gesetzlichen Tariferhöhungen und Höhergruppierungen des Personals trugen ebenfalls ihren Teil zur Steigerung bei.
Mit einer Investitionssumme von voraussichtlich rund 15,8 Mio. Euro werden wir dieses Jahr einen neuen Rekord aufstellen. Wir fordern, dass diese 15,8 Mio. tatsächlich vorrangig für die eingeplanten Objekte verwendet werden, um einen Investitionsstau zu vermeiden, der uns bei den derzeitigen Preissteigerungen teuer zu stehen kommen wird.
Der Löwenanteil dieser Investitionen fließt, wie die letzten Jahre schon, in den Bildungsbereich:
- in den seit langem geplanten Neubau der Kindertagesstätte Hinter Höfen. Hier haben der Bau- und Umweltausschuss und der Gemeinderat am 13.12.2021 und am 10.01.2022 die Gewerke des ersten Vergabepakets mit einem Umfang von über 4,7 Mio. Euro beschlossen.
- 245.000 Euro fließen in die neuen Fachklassenräume der Friedrich-List-Gemeinschaftsschule, die im Gebäude des Quenstedt-Gymnasiums untergebracht werden.
- in die Sanierung der Filsenbergschule Öschingen
- in die Digitalisierung der Schulen
- 432.000 Euro in eine neue Heizungsanlage für das Quartier rund um das Alte Rathaus
- in die Sanierung schadhafter Straßen in Mössingen
- in das Radwegenetz.
Wie oben erwähnt stiegen die Baupreise letztes Jahr enorm, dadurch lagen viele Vergabe-Beschlüsse 10 bis 20 % über den Kostenberechnungen.
Die Bebauung des Höckle-Areals wird in den nächsten Jahren das Stadtbild erheblich verändern. Knapp 350 Wohnungen sind auf dieser Fläche geplant. Um eine möglichst hohe Akzeptanz für dieses Projekt zu erhalten, haben die Eigentümergesellschaft BPD GmbH, die Verwaltung, Mitglieder der Gemeinderatsfraktionen und Anlieger*innen einen Arbeitskreis gebildet, in dem Vorstellungen, Bedenken, Wünsche und Anregungen über die zukünftige Bebauung diskutiert wurden. Auf dieser Basis wurde der Auslobungstext für einen Städtebaulicher Wettbewerb für das Höckle-Areal erstellt. Der Gemeinderat beschloss diesen einstimmig. Diesen Wettbewerb hat das Büro Hähnig aus Tübingen gewonnen. Am 10.01.2022 wurde auf Grundlage des Siegerentwurfs der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Höckle-Areal“ beschlossen.
Nach einem Aufstellungsbeschluss und später auch nach dem Auslegungsbeschluss muss über Inhalte des Bebauungsplans im Einzelnen diskutiert werden, um noch Veränderungen vornehmen zu können.
Um den Flächenverbrauch pro Wohneinheit möglichst gering zu halten, entsteht auf dem Höckle-Areal fast ausschließlich Geschossbau.
Viele wünschen sich jedoch auch Bauplätze für Einfamilien-, Doppel- bzw. Reihenhäuser. Leider wurden sieben von der Verwaltung und dem Gemeinderat vorgeschlagenen Baugebiete, die auf der Grundlage des Bebauungsplanverfahren nach §13b durchgeführt werden sollten, vom Regierungspräsidium gekänzelt. Die FWV fordert die Verwaltung auf, einige von diesen abgelehnten Baugebieten nach dem Regelverfahren nach §2 BauGB durchzuführen - und nicht wie geplant erst ab 2025.
Wir unterstützen die Erschließung der Baugebiete, um die Möglichkeit zu schaffen, Wohneigentum zu erwerben. Denn Wohnungseigentum, egal in welcher Form, ist ein wichtiger Schutz vor Altersarmut.
Das Wichtigste kommt zum Schluss:
Ehrenamt hat in Mössingen und seinen Teilorten eine lange Tradition. Das ist nicht selbstverständlich und erfordert viel Herzblut, Engagement und Zeit. Deshalb möchte ich mich ganz besonders bei den vielen ehrenamtlich engagierten Bürger*innen bedanken, die durch ihre unentgeltliche wertvolle Arbeit zu einem guten gesellschaftlichen Zusammenleben in unserer Stadt wesentlich beitragen.
Heute gilt unser Dank auch allen, die an der Aufstellung des Haushalts 2022 mitgewirkt haben. Vor allem Ihnen Frau Bernhard mit Ihren Mitarbeiter*innen.
Ihnen Herrn Hoffmann und Ihrem Team danken wir für die Aufstellung der Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe. Die “Express-Raschelrunde“ zum diesjährigen Haushalt am 04.12.2021 war leider nicht so umfangreich wie gewohnt, doch konnten die Fragen zum Haushalt geklärt werden. Dafür bedanken wir uns herzlich bei
Ihnen, Herr Oberbürgermeister Bulander,
Ihnen, Herr Bürgermeister Gönner,
Ihnen, Frau Bernhard,
Ihnen, Herr Hoffmann.
Ich wünsche uns allen für heute Abend eine gute Haushaltsberatung.
Für die FWV-Fraktion
Wilfried Kuppler